Die Bedeutung der Leidhaftigkeit in der Buddha-Lehre


Dukkha - dem Leiden unterworfen sein, Unvollkommgnheit, Elend und übel - ist eines der drei Wesensmerkmale von anicca; dukkha-anatta bezeichnet die Vergänglichkeit, Unvollkommenheit und Substanzlosigkeit aller Phänomene.

In unserer vorwiegend hedonistischen Gesellschaft hat der Begriff dukkha einen eher negativen Klang. In der Lehre Buddhas ist dukkha die Quintessenz der Vier Edlen Wahrheiten. Durch die Fremdheit der Buddha-Lehre in der westlichen Gesellschaft tauchen daher im Zusammenhang mit dem Begriff dukkha viele Fragen auf. Doch die Antworten zu diesen Fragen können durch Selbsterfahrung bald gefunden werden.

Daß wir dukkha - dem Leiden, dem körperlichen sowie dem geistigen unterworfen sind, erleben wir immer wieder. Schmerzen aller Art erschweren uns den Alltag, Krankheiten überfallen uns, Unfälle stoßen uns zu. Die körperlichen Schmerzen beeinträchtigen unseren Geist; Jammern und Klagen setzen ein, der Geist leidet mit.

Buddha wies oft auf die Unvollkommenheit des Daseins hin. Er besuchte einen erkrankten Mönch, fragte nach seinem körperlichen Befinden und erhielt von dem Mönch die Antwort, sein Körper habe viele Schmerzen auszuhalten und daher leide der Körper sehr. Auf Buddhas Frage nach dem Ergehen des Geistes erhielt er die Antwort: "Mein Geist ist voller Freude". Es zeigt, daß trotz körperlicher Schmerzen der Geist davon frei und unbehelligt bleiben kann. Aber Buddha sagte auch, selbst wenn der Körper zehn oder zwanzig Jahre, ja das ganze Leben hindurch gesund bleibe, es für den Geist nicht einen Moment zutreffen müsse.

Drei Arten von dukkha werden unterschieden:
1. dukkha-dukkhata, das ist das unmittelbare Leiden, sind die körperlichen Schmerzen und Beschwerden, wie Halsweh, Magenschmerzen usw.
2. sankhara-dukkhata, das sind die Leiden, die Körper und Geist betreffen, äußere und innere Beschwerden und Gefahren. Von außen besteht die ständige Gefahr eines Unfalls oder plötzlicher Krankheit; unsere Unkenntnis, ob und wann uns so etwas widerfährt, führt zu Unsicherheit und Angst. So leiden Geist und Körper durch Sorgen und Angst vor drohenden Gefahren.
Diese beiden Formen von dukkha sind uns nicht fremd, sie sind Teil unseres Lebens. Die dritte Art des dukkha ist uns gewöhnlich nicht bekannt. Sie heißt
3. viparinama-dukkhata, das sind die Leiden, die durch bedingte Phänomene, die nicht von Dauer sind, entstehen. Diese Form des Leidens ist auch ein Teil unseres Lebens, aber es ist uns fremd und wir wollen es nicht wahrhaben. Ausgestattet mit der Illusion des "Ich", will dieses "Ich" dieses und jenes, - Güter, Zuwendung, Beachtung - erhalten und besitzen. Wir gieren danach. Wenn wir es nicht bekommen, leiden wir; bekommen wir es, haften wir daran, wollen es behalten. Sobald das Erhaltene verloren geht, sich auflöst, uns genommen wird, leiden wir sehr unter seinem Verlust.

Die buddhistischen Blumenopferungen weisen einerseits auf die Schönheit der Blumen hin, zeigen aber auch die Vergänglichkeit der Schönheit. Da alles vergänglich ist, sollen wir uns daran erfreuen aber nicht daran haften bleiben. Anhaften - upadana erzeugt Leiden. Wenn wir uns immer der Realität der Vergänglichkeit bewusst sind, haften wir weniger, unser Verlangen vermindert sich und dadurch unser Leiden. Wenn es uns gelingt, alle Illusionen, alle Gier auszulöschen, werden wir frei sein von Schmerz und Leiden.

Diesem Ziel können wir durch Selbsterfahrung näher kommen.

Gierlosigkeit ist eine Bedingung für Freigebigkeit (dana)

Hasslosigkeit ist eine Bedingung für Tugend (sila)

Unverblendung ist eine Bedingung für geistige Entwicklung (bhavana)

Bisher haben wir über diese Weisheit (sutta-maya-pañña) gelesen und auf intellektuelle Weise (cinta-maya-pañña) verstanden. Erst durch die Selbsterfahrung machen wir sie zu unserer eigenen Weisheit (bhavana-maya-pañña).

Wie geht das vor sich?
Der Weg, den wir beschreiten müssen, ist kein dogmatischer; wir müssen nichts blind glauben. Buddha wurde als Meister der Analyse (vibhajja-vado) bezeichnet. So gehen wir auf unserem Weg analytisch vor; durch Selbstanalyse unseres Geistes und des Körpers ist es möglich, die Realität in uns zu erfahren. Diese systematische Erfahrungslehre hat Buddha vor mehr als 2500 Jahren verkündet; sie ist uns bis heute erhalten geblieben. Diese Selbstbetrachtung baut auf den zwei Pfeilern der Achtsamkeit und Weisheit auf. Achtsam erkennen wir das Unbeständige, Unvollkommene und Substanzlose unserer Gedanken, Handlungen und körperlichen Funktionen. Dadurch werden uns unsere Anhaftungen (upadana), die wir in uns tragen, bewusst und erfahren, daß, wenn wir loslassen können, wir uns von diesen Anhaftungen befreien und unser Leiden und die Schmerzen verringern werden.




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